Mittwoch, 14. April 2010

Eau de Cologne

Dat Echt Kölnisch Wasser is jot. Napoleon Bonaparte soll kein anderes Parfüm genutzt haben als das Farina Kölnisch Wasser. Aber darum geht es nicht.

Als meine Katze aus dem vierten Stock gestürzt war, brach sie sich die Hüfte. Gott sei dank. Nur die Hüfte, keine Knie, keine Gelenke, keine Bänder. Gott sei dank, sie überlebte. Unvergesslich wie ich sie unten vorfand. Auf Vorderläufen versuchte sie zu fliehen, weil sie vor Benommenheit nicht erkannte, wer auf sie zukam. Es war erbärmlich anzuschauen, wie sie das Becken hinter sich her schleifte. Erst als ich auf sie eingeredet hatte, schien sie zu kapieren, und ergab sich. Im Kopf wieder klarer, fing sie an zu schreien. Der Schock war gewichen, der Schmerz war gekommen.

Der FC spielte an dem Tag, ich hätte im Stadion sein sollen. Stattdessen war ich beim Notarzt. Die Ärztin untersuchte die Katze auf eine, nach meinem Empfinden, rabiate Weise. Mehrmals entwich sie den Händen der Tierärztin und fiel dabei vom Untersuchungstisch, wonach sie sich hinter den Heizkörper verzog, eine blutgetränkte Urinspur hinter sich her ziehend. Das ist ein gutes Zeichen, sagte die Ärztin, das bedeute, dass sie vermutlich keine inneren Verletzungen habe.

Abermals schnappte sich die Ärztin das verletzte Tier und drehte an Knochen und Gelenken, bis die Katze mit vor Schmerz benebelten Augen aufheulte. Plötzlich sprang die Ärztin zurück, der irre Blick der kleinen Katze, 11 Monate alt, kündete von Todesangst und Fluchtinstinkt. Ich hatte auch meine Instinkte, ich wollte nicht, dass sie Angst hat, wollte nicht, dass sie wieder vom Tisch fällt, instinktiv griff ich nach ihr, um ihr Halt zu geben.

Sie bohrte ihre langen Eckzähne ins Fleisch meines Zeigefingers, erwischte den Knochen, der daraufhin Geräusche von sich gab. Noch nie zuvor hatten meine Knochen zu mir gesprochen, und jetzt sang dieser sogar. Ich schaute sie ungläubig an, das alles passiert nicht wirklich, oder? In etwa so muss ich geschaut haben. Nach einigen Sekunden der Besinnung riss ich den Finger aus ihrem Maul, egal, dass die Zähne noch drin steckten. Die Kleine urinierte rot und ließ sich erneut vom Tisch fallen und verschwand anschließend in einer Ritze zwischen Schrank und Wand. Ich glaube nicht, dass sie gedacht hatte, sie sei ein Löwe in einem römischen Circus und ich ein antiker Christ, den es zu zermalmen gilt. Wir hatten beide instinktiv gehandelt, ihr Instinkt war nur stärker.

Die Assistentin holte ein Mittel für die Flächendesinfektion und legte Handschuhe auf den Behandlungstisch, die ein deutscher Ordensritter im Kampf gegen die ostseefinnischen Heiden getragen hätte. Ich schielte auf die Löcher in meinem Finger, direkt hinzuschauen traute ich mich nicht sofort. Ich bin zwar erfahrener Blutspender, aber Knochenmark hatte ich noch nie gespendet. Seltsamerweise kam das Blut gar nicht sogleich. Es verging eine Minute bis das Blut sich traute, heraus zu kommen und nachzuschauen, warum die Tür offen steht. Dafür verhielt es sich aber anschließend wie ein junges Kalb, das nach einem langen Winter endlich wieder aus dem Stall durfte: es sprang und sprudelte vor Übermut und Leichtigkeit des Seins.

Halten sie die Hand hoch, sagte die Tierärztin, ich hole was zum Desinfizieren. Sie fingerte ein Fläschchen hervor, "Farina 1709 Eau de Cologne Original" stand darauf. Ich schaute sie fragend an. Es tut mir leid, sagte sie, die Wunddesinfektionsmittel sind uns ausgegangen. Aber, glauben sie mir, das hier ist genauso gut. Dann roch es nach Bergamotte und Zeder. Das Brennen tat gut, es war mal etwas neues. Sie legte mir einen Druckverband an. Gehen sie bitte sofort ins Krankenhaus, sonst geht es nicht gut aus. Wir kümmern uns um ihre Katze. Ich schaute auf die Ritterhandschuhe und das Kätzchen in der Ritze. - Ich komme gleich wieder, drohte ich der Ärztin. Ja, bitte, wir haben heute Notdienst und sind daher 24 Stunden geöffnet.

Ich fuhr quer durch die Stadt, um in ein Krankenhaus in der Nähe meiner Wohnung zu kommen. Das Radio im Taxi verriet die Bundesliegaergebnisse. Es pochte in meinem Finger, irgendwie war auch der Verband viel zu eng geworden. Die in der Notaufnahme hielten es für nötig, mich eine Stunde lang warten zu lassen. Mit Gipsarm und noch betäubter Katze kam ich um zwei Uhr nachts zuhause an. Der FC hatte das Heimspiel wieder verloren, Poldi wurde Mitte der zweiten Hälfte wegen schlechter Leistung ausgewechselt. Ich holte mir ein Bier und sah der Katze beim Aufwachen zu.

Und zwar meine.

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